Alpenüberquerung von Füssen zum Gardasee
Alle Berichte aus der Reihe
Teil 1: Planung und Organisation
Teil 2: Über den Alpsee und Fernpass nach Imst
Teil 3: Regeneratives Ausschütteln der Beine zwischen Imst und Pfunds
Teil 4: Über wilde Grenzen und schwarze Löcher auf das Dach der Tour
Teil 5: Von Laas über Meran an den Kalterer See
Teil 6: (Un-)Ruhetag nicht nur am Kalterer See
Teil 7: Durch das Tor des Südens kurz vor dem Sprung zum Finale
Teil 8: Vom Gardasee überwältigt
Teil 9: Rückreise und Fazit
Zurückgelegte Strecke: 47,1 km
Höhenmeter bergauf: 137
Tiefenmeter bergab: 279
Alle Details, Streckenverlauf – Höhenprofil usw: Outdooractive-Karte
Es war nun klar: Bald wären wir am Ziel der Reise, nur noch gute 40 km zu fahren. Wie immer bei Radreisen ist nie von vorneherein klar, ob alles gut gehen wird. Das Wetter allein kann schon die Planung komplett über den Haufen werfen. Pannen, sonstige „technische K.O.s“ – es gibt viele Möglichkeiten für kleine oder größere Katastrophen.
Alles hat bisher perfekt funktioniert und auch für das letzte Stückchen sah es sehr gut aus. Einmal mehr sollte perfektes Wetter diesen Tag begleiten.
Also los – zunächst geht es nach einer kleinen Abfahrt über Nebenstraßen wieder runter an den Fernradweg an der Etsch. Wir fahren durch Rovereto, hier müssen wir etwas in den Ort einschwenken und passieren eine Brücke über die Straße.
Nachdem wir einem kleinen Haken am Ortsaugang von Rovereto schlagen, um eine Brücke über einen Nebenfluss der Etsch nutzen zu können, machen wir eine letzte Pause an einem modernen, sehr ansprechend wirkenden Lokal. Hier sind sicher mehr als 90% der Gäste Radfahrer.
Nach diesem letzten Halt vor dem Gardasee gehen wir voller Erwartungen die letzten Biegungen der Reise an. Nach wenigen Kilometern verlassen wir den „glattgebügelten“ Radweg an der Etsch. Es geht hinauf über kleine Nebenstraßen und Feldwege bis Mori, das wir durchqueren.
Danach stoßen wir auf eine belebte Hauptverkehrsstraße, allerdings ist der Fahrradverkehr sehr gut vom Autoverkehr entflochten – kein Problem, gut gelöst. Nur auf den Gegenverkehr durch Radfahrer sollte man achten, die Wege sind sehr schmal und zuweilen sehr kurvig und steil. Angebrachte Spiegel helfen tote Winkel zu minimieren.
Finale Gardasee: Keine allmähliche Annäherung, sondern ein Paukenschlag
Es musste bald soweit sein. Die auf dem Display angezeigte Entfernung zum Ziel schmolz zusammen. In Kürze sollte vielleicht etwas vom See zu sehen sein, ein erster Schimmer in der Ferne vielleicht?
Mit diesen Gedanken nehme ich die nächste Kurve – und dann fällt das Kinn runter.
Man nähert sich dem Gardasee nicht. Er überfällt einen komplett unvorbereitet mit einem einzigartigen Ausblick auf die steil in das Wasser abfallenden letzten Erhebungen der Alpen, die sich schließlich gen Süden zur Ebene hin öffnen.
Wir halten an, man kann hier nicht einfach weiterfahren. Wir trinken etwas und genießen die Verzögerung vor der Ziellinie. Die letzte Abfahrt zum Ufer, das natürliche und erklärte Ziel der ganzen Reise, wird eine Art Ehrenrunde. Das heben wir uns noch einen Moment auf.
Großes Kino der Emotionen am Aussichtspunkt in Nago
Wir merken es an uns selbst. Dieser Ausblick, den ich so grandios angesichts inzwischen verblasster Erinnerungen an meinen letzten Aufenthalt hier nicht erwartet hatte, macht etwas mit einem.
Extremer ergeht es einer größeren Gruppe Radler, die nach und nach eintreffend ebenfalls halten müssen, sich sammeln um das, was sie nun sehen zu feiern. Umarmungen, gegenseitige Glückwünsche, es gibt sogar Tränen. Ein älterer Herr aus der Gruppe muss einiges mitgemacht haben. Die Hosenbeine hängen zerfetzt herunter, Abschürfungen sind erkennbar, aber er wirkt glücklich, wenn auch sichtlich erschöpft.
Unwillkürlich stelle ich mir vor, dass sie womöglich eine Art Überlebenstraining in der Wildnis hinter sich haben. Aber man kann nicht anders, als sich mit ihnen zu freuen über die gemeisterte Herausforderung.
Einzigartige Kulisse am „Fjord mit Palmen“
Schließlich nehmen wir die zunächst gerade verlaufende letzte Abfahrt unter die Reifen. Es fühlt sich nach Landeanflug an. Kurz bevor wir auf das Seeufer in Torbole stoßen, wird es etwas verwinkelt – dann stehen wir am Wasser und sind auch etwas überwältigt.
Die Zutaten für das Erlebnis Gardasee sind in der Zusammensetzung einmalig. Die hohen Berge im Norden geben alpine Kulisse und bieten Schutz vor den kalten polaren Strömungen, während die Öffnung zu der warmen Ebene im Süden und dem Wärmespeicher, den der größte See Italiens mit seinen Wassermassen bietet, ein ganz besonderes Klima schaffen, das Palmen und mediterrane Vegetation gedeihen lässt.
Das bis zu 345 m tiefe Gewässer liegt mit lediglich 65 m Meereshöhe auf dem gleichen Niveau wie Koblenz am Rhein, was man wegen der alpinen Szenerie nicht vermuten würde.
Wir lassen uns etwas treiben. Vorankommen ist zuweilen nicht ganz einfach. Trotz der sehr liberalen Handhabung Verbote für Fahrräder betreffend – als Deutscher wundert man sich, dass man prinzipiell fast überall fahren darf – bremst einen der Andrang auf der Uferpromenade an diesem frühen Nachmittag stark aus.
Aber wir haben Zeit und schieben die Fahrräder freiwillig, wenn es sein muss.
Torbole und das benachbarte Riva del Garda trennt ein kleines Felsmassiv. Hier verlagert sich der Radweg ausgesetzt und mit einem Geländer gesichert leicht erhoben über den See.
Wir bummelten noch eine ganze Weile, mal fahrend mal schiebend, immer die Promenade entlang bis zum Hafen von Riva. Die Vielfalt an Motiven und pittoresken Ansichten ist erschlagend, man könnte Hunderte von Fotos hier einstellen.
Die ganze Promenade von Torbole direkt am Ufer des Gardasee könnt ihr ohne Unterbrechung ganz gechillt hier auf YouTube mit uns abfahren. Knappe sieben Minuten Urlaub!
Dieses Video verschafft, wie ich finde, einen ganz guten Eindruck vom Flair an der Promenade von Torbole. Aufgenommen wurde es um 8:00 morgens, zu diesem Zeitpunkt konnte man gut durchfahren.
Abschiedsessen in der Altstadt von Riva und offizielles Ende der gemeinsamen Reise
Ein kurzer Abstecher ins Hotel zum Frischmachen vor dem gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant in einer der malerischen Altstadtgassen von Riva del Garda war offizielles Ende der gemeinsamen Reise.
Die beiden Wohmobilisten würden innerhalb von zwei Tagen nach Hause fahren, die anderen zunächst mit den Rädern nach Rovereto, wo wir Plätze im Zug nach München reserviert haben.
Einen kurze Zusammenfassung über die Rückreise und ein Fazit zur gesamten Tour folgt im nächsten und letzten Teil unseres großen Specials zur Alpenüberquerung.
Zum nächsten und letzten Teil des Reports:
Teil 9: Rückreise und Fazit
Zum vorherigen Teil des Reiseberichts:
Teil 7: Durch das Tor des Südens kurz vor dem Sprung zum Finale